Oh je, jetzt hab ich mieses Karma produziert!

  • 15. Juni 2019

Dieser Text wurde im Magazin "Zwischen Erde und Himmel", Juni 2019, veröffentlicht.

 

Dieser Tage erzählte mir eine Freundin, dass sie sich ganz fürchterlich über einen Mitmenschen geärgert hatte. Sie schimpfte ordentlich über ihn und endete mit einem zerknirschten Gesicht und den Worten: „Oh je, jetzt habe ich ganz viel mieses Karma verursacht.“ Ich weiß nicht, ob sie erwartete, von den Trümmerteilen einer Raumstation erschlagen und das nächste Leben als Ameise erfahren zu müssen (frei nach dem Roman „Mieses Karma“ von David Safi er), doch fühlte sie sich offensichtlich sehr unwohl bei dem Gedanken, was nun auf sie zukommen könnte.

Kennen Sie das auch? Manche Menschen schimpfen über andere, lästern, ziehen hinter ihrem Rücken über sie her und machen sich keinerlei Gedanken über ihr Tun. Anderen wiederum, wie meiner Freundin, fällt im Nachgang auf, was da gerade geschehen ist. Doch fangen wir zunächst mit der Frage an, was Karma eigentlich ist. Oft wird Karma mit früheren Leben in Verbindung gebracht und der Überzeugung, dass unser schlechtes Handeln eine entsprechende Strafe in diesem Leben begründet. Haben wir z.B. im früheren Leben jemanden hintergangen, müssen wir nach dieser Auffassung damit rechnen, in diesem Leben etwas Ähnliches zu erleben. Oder, wie meine Freundin, die offensichtlich nun erwartete, in einem nächsten Leben die Tat im heutigen Leben mit einer Strafe ausgleichen zu müssen.

Karma ist NICHT gleichbedeutend mit Strafe

Der Begriff „Karma“ stammt aus dem indischen Sanskrit und bedeutet „Wirken“ oder „Tat“, was besagt, dass jede Handlung, egal ob körperlich oder geistig (also ob Handeln oder Denken), eine Folge hat. Anders ausgedrückt: Karma bedeutet Ursache & Wirkung. Jede Ursache, jedes Handeln oder auch Nicht-Handeln, jedes Denken oder auch Nicht-Denken, hat eine Wirkung. Setzen wir eine negative Ursache, z.B. dass wir absichtlich jemandem schaden, erfahren wir die negative Wirkung, dass jemand uns in irgendeiner Art schädigt. Gleiches gilt auch bei positiven Ursachen, für die wir mit einer positiven Wirkung rechnen dürfen.

Jede Ursache erzeugt eine Energie, die mit gleicher Intensität zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Ähnlich wie ein Bumerang. Und das auf vielen Ebenen, ob Tat, Gedanke oder Gefühl - alles, wirklich alles wirkt sich auf unser Leben aus und kommt in irgendeiner Form und zu irgendeinem Zeitpunkt zu uns zurück - in diesem Leben oder in einem anderen. Das bedeutet, dass wir selbst die positiven wie negativen Wirkungen verursachen, kein fieses Schicksal, blöder Zufall oder strafender Gott. Auch kein Glück oder Schwein gehabt. Wir selbst sind verantwortlich für das, was uns geschieht. Wir ernten, was wir säen.

Ja, ich weiß, das mit der Eigenverantwortung ist ziemlich doof ;-) Doch es hat auch sein Gutes, denn es ist durchaus möglich, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Für jemand anders hingegen ist es deutlich schwieriger, ja sogar unmöglich (sofern es sich um einen erwachsenen Menschen handelt) und es ist auch nicht unsere Aufgabe. Mit uns selbst haben wir eigentlich genug zu tun.

Das bedeutet: Wenn uns jemand schlecht behandelt, können wir uns nach dem Prinzip des Karmas tiefenentspannt zurücklehnen, abwarten und Tee trinken. Die Wirkung der vom anderen geschaffenen Ursache wird zwangsläufig irgendwann eintreffen, ob in diesem oder in einem anderen Leben. Karma regelt das schon. Wenn wir uns dieser Tatsache bewusst sind, werden Vergeltung oder Rachegedanken vollkommen überflüssig. Das heißt natürlich nicht, dass wir alles einfach hinnehmen sollten, doch es gibt Situationen, da sind uns die Hände gebunden und es fehlen Möglichkeiten unseren Standpunkt klarzumachen oder die Sache in unserem Sinne zu regeln. Mit diesem Wissen können wir den anderen „freigeben“ aus unseren Gefühlen, wir können in Frieden kommen mit uns selbst und der Situation. Das entspannt ungemein und schafft gleichzeitig - gutes Karma ;-)

Karma-Punkte sammeln?

Das mit dem Karma-Punkte sammeln klappt leider nicht. Ich meine damit die Ansicht, dass wir nur gut genug oder lieb genug oder nett genug sein müssen, um gute Karma-Punkte zu sammeln wie auf einer Sammelkarte, mit denen wir schlechte Karma-Punkte wieder wettmachen können. Darum geht es beim Karma nicht. In meinem Weltbild (Sie dürfen das anders sehen) sind wir hier, um Erfahrungen zu machen und um uns zu einem bewussten, d.h. toleranten, liebevollen, wertschätzenden Menschen zu entwickeln. Das kann allerdings dauern und viele Leben in Anspruch nehmen, sehr viele Leben. Unsere Seele möchte ALLES erfahren, jedes Detail und jede Nuance. Wie ist es zu verzeihen? Wie ist es mutig zu sein? Oder stark? Oder feige? Dazu muss die Seele auch Täter sein, um zu erfahren, dass Täterschaft nicht ihren Werten entspricht. Das kann sie aber erst, wenn sie es „gefühlt“ hat und fühlen geht nur in einem Körper in einem irdischen Leben, nicht in der geistigen Welt. Somit ist alles, was wir als Karma bezeichnen, nichts anderes als eine notwendige, von unserer Seele selbst herbeigeführte Erfahrung - im Negativen wie im Positiven. Je erfahrener unsere Seele mit steigender Anzahl der Leben wird, desto liebevoller ist sie und ihr Bedarf an negativen Erfahrungen ist erschöpft. Vielmehr erfreut sie sich zunehmend daran, ihren Werten und ihrem Bewusstsein entsprechend positive Erfahrungen in ihr Leben und das der sie umgebenden Menschen zu ziehen.

Karma und Mensch-Sein

Bedeutet das, dass wir nicht mehr ordentlich schimpfen dürfen, wenn uns etwas ärgert? Ziehen wir damit unweigerlich eine sofortige negative Wirkung in unser Leben? Ich möchte es so sagen: Es kommt darauf an, wie bewusst wir mit der von uns ausgesandten Energie umgehen. Und mal ehrlich: Wir sind hier auf der Erde, wir sind Menschen und keine Heiligen. Wir sind hier, um Erfahrungen zu machen und nicht, um stocksteif und 100%ig perfekt zu sein. Wie sind hier um zu LEBEN mit allen Facetten, die dazu gehören. Und das sind vor allen Dingen Gefühle in der gesamten Bandbreite! Nicht nur die netten Gefühle, die können wir sowieso schon, nein, auch die vermeintlich nicht so netten wie Ärger oder Wut. Wir sind Menschen und Menschen fühlen! Das ist unsere Spezialität hier auf der Erde. Deshalb ist es nur richtig alle unsere Gefühle wahrzunehmen, auch die, die möglicherweise mieses Karma verursachen könnten. Sie sind echt und in diesem Moment einfach wahr. Alles andere wäre Gefühls-Make-Up und würde uns in unserer seelischen Entwicklung keinen Schritt weiterbringen.

Und was ist mit dem miesen Karma meiner Freundin? Nun, sie fing diese Gefühle gleich wieder ein, so als wären sie an einem Gummiband. Negative Gefühle und Gedanken können wir an diesem imaginären Gummiband zu uns zurückziehen, so dass sie den anderen nicht erreichen. Es entsteht keine negative Karma-Energie, obwohl wir unserer menschlichen Natur treu geblieben sind. Und das ist auch sehr gut so, denn heilig sein ist, glaube ich, nicht unser Auftrag hier auf der Erde und obendrein ZIEMLICH LANGWEILIG

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