Das Leben auf links drehen - Zeit für Veränderung

  • 15. Dezember 2019

Dieser Text wurde im Magazin "Zwischen Erde und Himmel", Dezember 2019, veröffentlicht.

 

Manchmal machen wir das mit der Wäsche: Vor dem Füllen der Waschmaschine drehen wir die Kleidungsstücke auf links, das heißt die Innenseite nach außen, um den sichtbaren Stoff während des Waschvorgangs zu schonen. Wenn sich aber das Leben auf links gedreht anfühlt, hat das wenig mit Schonen zu tun, im Gegenteil.

Dreht sich das Leben auf links, fühlt es sich an, als bliebe kein Stein mehr auf dem anderen. Der Boden unter den Füßen scheint wie weggezogen und die schützende Wand im Rücken ebenso. Fehlt nur noch, dass von oben etwas Unangenehmes auf uns niederprasselt, ob Regen oder Vogelpipi sei offengelassen. Wir fühlen uns ungeschützt, den widrigen Umständen ausgeliefert, hilflos, ohne Bewältigungsstrategie. Genau das erlebe ich fast täglich in meiner Praxis. Menschen sitzen mir gegenüber, deren Leben aus den Fugen geraten zu sein scheint, wobei die Ursachen so vielfältig sind wie die Menschen selbst. Besonders häufig werden Paarthemen benannt, bei denen die Beziehung, schon seit Jahren wackelig, zu zerbrechen droht. Die Menschen sind verzweifelt, der Schmerz über die unglückliche Beziehung ist deutlich spürbar und eigentlich möchten sie, dass alles "wieder gut ist". Doch das geht nicht mehr: Es muss sich etwas ändern. Nur was? Die Beziehung beenden? 20 Jahre oder mehr aufgeben? So einfach ist das nicht. Und wenn es nicht anders geht, wie ist das zu schaffen? Fragen, Zweifel und Ängste ohne Ende.

Neben den Paarthemen spielen auch Beruf und Berufung eine sehr große Rolle in der Beratung. "Meine Arbeit macht für mich keinen Sinn" oder "Das erfüllt mich nicht" sind häufige Aussagen. Die Menschen sprechen von einer inneren Leere, die mit der oft jahrelang ausgeübten Tätigkeit nicht zu füllen ist. Wer nach dem Sinn sucht, geht in die Tiefe seiner Seele und spürt, dass sich das Leben schal anfühlt, blass und energielos. Häufig erzählen diese Menschen mir von großer Müdigkeit im Alltag, von Überforderung gepaart mit Langeweile, was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, es aber nicht ist. Wie ist aus diesem Sog herauszukommen? Ich sehe die schiere Verzweiflung in den Augen, denn besonders bei beruflichen Veränderungswünschen wirkt das Geld, also das Einkommen, das mit einer Tätigkeit erzielt werden muss, in der Regel als ultimative Vollbremsung direkt nach dem Anfahren. "Kann ich damit genug Geld verdienen?" ist die erste Frage, nachdem der Veränderungswunsch formuliert wurde. Jeder weitere schöpferische Gedanke, der dazu führt, dass man SICH SELBST LEBT, erstickt im Keim beim Gedanken an das Geld, das wir zum Leben brauchen. Ich kann es gut verstehen, denn unsere größte Angst ist existentiell.  

Der Tenor ist einheitlich und für mich mit enormer Wucht wahrnehmbar: Viele, sehr viele Menschen spüren zur Zeit, dass sie dringend eine Veränderung brauchen, ob in der Partnerschaft, im Beruf, in der Freundschaft, wo auch immer. 
Radikale Veränderung ist hier gemeint, kein Anhübschen von Bestehendem, sondern Umsturz von Grund auf. 
Ihre Seele stellt alles in Frage, zeigt sich in leisen Gedanken, die schnell unterdrückt werden, denn sie könnten ja Realität werden mit allen dazu gehörenden Auswirkungen. Wird die Seele endlich laut und deutlich, werden uns unsere Veränderungswünsche bewusst, dann knirscht es tief im Gebälk und der innere Konflikt zwischen Dem-was-ist und So-geht-es-nicht-weiter ist kaum auszuhalten.

"Besser geht nur mit anders!"

Dieses Zitat meines Mannes habe ich derzeit oft in meinen Ohren, denn es bringt auf den Punkt, worum es geht: Wenn es besser werden soll, muss es anders werden. Das Alte, das Bestehende funktioniert so nicht mehr, das Fundament bröckelt oder war noch nie besonders stabil. Darauf lässt sich nichts Neues errichten, ohne den erneuten Zusammenbruch vorzuprogrammieren. Nein, es geht um grundlegende Veränderung. Dazu braucht es Mut, sich dem inneren Konflikt zu stellen und sich anzuschauen, was nicht länger hingenommen werden will:

  • Was will ich nicht länger in meinem Leben akzeptieren?
  • Was kann ich ändern und was nicht?
  • Wie kann ich das eine vom anderen unterscheiden?
  • Wie kann ich meine Seelenwünsche realistisch und bodenständig umsetzen?
  • Wie bin ich dabei mir selbst und anderen gegenüber wertschätzend und achtsam?

Veränderung braucht Mut

Veränderungsprozesse sind Seelenprozesse, die ein genaues Hinsehen erfordern, daher schütteln wir sie nicht einfach aus dem Ärmel. Stellen wir uns unserem tiefsten Drang nach Neuorientierung können sehr leicht Ängste und Schuldgefühle entstehen (z.B. "ich bin egoistisch, wenn ich tue, was ich fühle"), die wiederum als Bremse wirken. Hier ist also Achtsamkeit uns selbst, unserem eigenen Tempo und unseren Möglichkeiten gegenüber gefragt. Gerne hätten wir Garantien dafür, dass das Neue uns ins unendliche Glück führt. Wenn das sicher wäre, würden wir den Schritt eher wagen. Doch leider gibt es diese Garantie nicht und das ist gut so. Schließlich liegt in dem Mut in die Veränderung zu gehen die Chance zu einer unglaublichen und bereichernden Erfahrung: Wir erkennen, wer wir wirklich sind und lernen zu uns zu stehen.

Bisheriges hinter uns zu lassen, neue Wege zu gehen ist eine derart beeindruckende Erfahrung für uns, dass sie uns nachhaltig prägt. Wenn wir uns für uns selbst und unsere Bedürfnisse einsetzen und stark machen, spüren wir, was es bedeutet, uns selbst zu achten und unserem Empfinden zu vertrauen. Sich auf eine Veränderung einzulassen, die wir in der Tiefe unserer Seele fühlen und die unser Leben auf links dreht, ist Selbst-Liebe. Menschen, die solche Prozesse durchlebt haben, strahlen eine innere Stärke aus, ein Vertrauen in sich selbst durch die Erfahrung für sich gesorgt zu haben.

Leben bedeutet Evolution, also Weiterentwicklung und damit Veränderung. Daher sind neue Wege wunderbare Gelegenheiten zu wachsen und sich weiter zu entwickeln. Wenn das Alte uns nicht mehr guttut, geht besser nur mit anders. Egal, wie schwer uns der Weg erscheint, er birgt ein unendliches Potential an Möglichkeiten. Und die Erfahrung mit Klienten zeigt, dass sich Lösungen zeigen, sobald wir uns für die Veränderung entschieden haben. In diesem Moment entsteht eine Art Sog, der uns unterstützt. Nicht immer wird es einfach sein, aber das hat auch niemand gesagt. Doch das Ergebnis wird uns guttun und wir werden uns über uns selbst, unseren Mut, unsere Kraft und unsere Begeisterung und Freude freuen. Wir werden uns selbst erkennen in unserer schöpferischen Kraft unser Leben selbst zu gestalten. Und das schenkt uns ein neues Vertrauen in uns selbst.

Welche Veränderung steht in Deinem Leben an?

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